Ethik im Verkauf – Plädoyer für eine neue Verkaufskultur

Ethik im Verkauf – Plädoyer für eine neue Verkaufskultur

Verkäufer sind smart, redegewandt und vor allem profitorientiert. Im Extremfall verkaufen Sie einem Eskimo einen Kühlschrank und einer alten Dame eine lausige Lebensversicherung. Nettsein und Charme dienen einzig dem Ziel, dass der Kunde endlich sein Geld locker macht – und zwar möglichst schnell. Profit und Provision stehen dabei an erster Stelle. Verkaufsbücher fördern diese Tendenz, indem Sie voll sind von Tipps und Tricks, den Kunden schnell zu einem Abschluss zu bringen. Von Werten ist hier selten die Rede, und wenn dann beziehen sie sich meist nur auf einen galanten Umgang mit dem Interessenten.

Kein Wunder also, dass Verkaufen einen schlechten Ruf hat!Hinzu kommt, dass negative Ereignisse oft schwerer wiegen als positive. Wir vergessen gern die zahlreichen unaufdringlichen und netten Verkäuferinnen, wenn wir einen Anruf von einem Callcenter bekommen, dessen Mitarbeiter uns ein Skript herunterleiert.

Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass Sie Gewinn machen. Für diesen sind die Verkäufer verantwortlich. Da diese meist nur an ihren Zahlen gemessen werden, ist es fast logisch, dass sie alles tun werden, um möglichst viele Abschlüsse zu erzielen. Wer materiellen Vorteil in den Mittelpunkt stellt, macht sich zudem selten Gedanken darüber, womit er sein Geld verdient, Hauptsache die Kasse stimmt. Und bewundert die Gesellschaft nicht jene, die etwas vorweisen können – in Form von materiellem Reichtum?

In Zeiten, wo auf vielen Ebenen über Werte diskutiert wird, ist es Zeit, dass der Verkauf davon nicht ausgenommen wird. Es reicht auf wirtschaftlicher Ebene nicht aus, ein wenig Ökologie zu betreiben oder einen Kindergarten einzurichten. Echte Werteorientierung und Nachhaltigkeit müssen viel weiter greifen. Hier sind zum einen alle Verkäufer gefragt, sich einmal über den Tellerrand der hohen Provision hinaus zu begeben und sich folgende Fragen zu stellen:

  • Was verkaufe?
  • Für wen verkaufe ich?
  • Wie verkaufe ich?

Doch warum sollte er das tun, wenn es viel einfacher und schneller geht, einen kurzfristigen Profit einzufahren? Warum sollte er riskieren, mit weniger auskommen zu müssen? Ganz abgesehen davon, dass es viel zu bequem ist, weiterhin wie gewohnt zu handeln, statt sich mit mühevollen Gedanken zu plagen.

 

Als Konsumenten werden wir stets dazu aufgerufen uns über unsere Einkaufsgewohnheiten Gedanken zu machen. Doch wer ruft die Verkäufer dazu auf, sich über Fair Trade, Produktionsmängel oder Kinderarbeit Gedanken zu machen? Ihre Vorgesetzten bestimmt nicht. Denn auch in den Chefetagen gibt es wenig Motivation reine Profitorientierung in Frage zu stellen, wenn das Gewinnstreben im Vordergrund steht.

Dass es auch anders geht, zeigen Unternehmer, die sich bemühen, über den Tellerrand hinauszusehen, und sich zu fragen, unter welchen Bedingungen produziert und kommuniziert wird – intern wie extern. Dennoch heißt dies nicht automatisch, dass sie nicht auch nach hohen Verkaufszahlen streben und dafür schon auch in Kauf nehmen, dass ein paar Werte hinten angestellt werden. Schließlich müssen auch sie Gewinn erwirtschaften, und so erscheint es wie eine enge Gratwanderung zu sein, anzustreben, dass der Verkaufsbereich werteorientierter wird.

Hinzu kommt die Frage, was der Maßstab des vermeintlich „richtigen Handelns“ ist. Wer bestimmt, welches Produkt dem entspricht, was werteorientiert ist? Wie ist das mit ungesunden Süßigkeiten, Gentests in Laboren oder der Produktion von Landminen? Ist der Käufer oder der Verkäufer das Maß der Dinge? Hier könnte man noch viele weitere Fragen stellen. Letztlich wäre es anmaßend zu glauben, eine endgültige Antwort darauf zu haben.

Ich denke, es geht mehr um die Eigenverantwortung und die Klärung für jeden Einzelnen, was er für vertretbar hält – Käufer wie Verkäufer. Und doch ist es Zeit, dass sich auf Verkaufsseite etwas bewegt und dass Praktiken, die heute gängig sind, hinterfragt werden – und zwar von den Verkäufern selbst und im weiteren von den Unternehmern, die sie beschäftigen. Hier sind alle gefragt und es ist zu einfach die Verantwortung auf den jeweils anderen bzw. einfach nur auf das jetzige Wirtschaftssystem zu schieben. Mittlerweile gibt es gute Alternativansätze in Bezug auf ein nachhaltiges und respektvolles Wirtschaften. Aber bleiben wir beim Verkaufen und kehren zurück zu den oben genannten Fragen:

 

Was verkaufe ich?

Hier geht es um die Beschäftigung mit dem Angebot – Produkt oder Dienstleistung. Manchmal könnte man schon den Kopf schütteln darüber, was einem so alles angeboten wird. Und irgendwie scheinen sich auch für unseriöse, ungesunde oder gefährliche Produkte immer irgendwelche  Verkäufer zu finden. Es scheint, als lockt die Hoffnung auf einen schnellen Verdienst so sehr, dass mögliche Bedenken über den Haufen geworfen werden. Oder es ist manchmal die pure Verzweiflung, die einen antreibt, frei nach dem Motto, besser einen schlechten Verkaufsjob, als gar keinen. Wer Existenzangst hat, macht sich eher weniger Gedanken um Werte. Ihnen würde das nicht passieren? Ich persönlich bin vorsichtig, das von mir zu behaupten. Denn wer weiß schon, was wir alles tun würden, wenn wir unsere Existenz bedroht sehen? Da gehen schnell mal ein paar Prinzipien über Bord. Und wäre es nicht auch verständlich, wenn Sie zum Beispiel eine Familie zu versorgen hätten und keine andere Alternative sehen?

Außerdem stellt sich die heikle Frage, wer bestimmt, wann ein Produkt oder Angebot einen Nutzen bietet und wer diesen bestimmt. Verkaufen Sie als Nichtraucher einem Raucher Zigaretten? Was steht höher, der Wert der Gesundheit oder der Nutzen des Tabakgeschmacks? Anhand dieses einfachen Beispiels wird deutlich, wie schwierig die Produktfrage ist. Aber sie zu stellen, das wäre schon der erste Schritt. Es wäre viel erreicht, wenn sich jeder bewusster mit dem auseinander setzt, was er anbietet.

 

Für wen verkaufe ich?

Welche Philosophie vertrete ich, bzw. das Unternehmen, für das ich arbeite? Was mache ich als Verkäufer, wenn die Zielquoten permanent hochgesetzt werden von Vorgesetzten, die nicht in der Lage sind, Marktänderungen wahrzunehmen?

Das sind nur zwei von vielen Fragen, die man in diesem Zusammenhang stellen kann. Es erfordert sehr viel Mut, intern Stellung zu beziehen und zu hinterfragen, ob das, was man für eine Firma tut, mit den eigenen Werten übereinstimmt. Denn es birgt die Gefahr zu dem Schluss zu kommen, dass man die Zusammenarbeit beenden müsste, um stimmig zu bleiben. Dies ist für viele erst einmal eine erschreckende Erkenntnis und lässt gerne zögern. Vor allem dann, wenn der Arbeitsmarkt gerade eng ist. Da versteckt man sich dann lieber hinter Hochglanzbroschüren und redet sich ein, dass das alles nicht so schlimm ist, und wurschtelt sich weiter durch.

Dabei könnte es innerhalb einer Firma durchaus positive Veränderungen bewirken, wenn die Verkäufer geschlossen für eine Verbesserung eintreten und sich unrealistische Vorgaben nicht mehr gefallen lassen. Utopisch? Vielleicht, aber nicht unmöglich!

 

Wie verkaufe ich?

Verkaufsbücher sind voll mit Tipps und vor allem Tricks, wie man schnell zu einem Abschluss kommt. Dabei herrscht häufig das Motto: „Lieber Kunde, ich bin ja lieb und nett zu Dir, aber kauf gefälligst endlich.“ Letzteres suggerieren wir mit Fragetechniken und allerlei Zubehör so, dass er tatsächlich meint, er möchte unbedingt haben, was wir anbieten.

Das ist natürlich etwas überzeichnet und doch kommt es häufig vor. Das gilt interessanterweise nicht nur für Verkäufer, die auf kurzfristigen Profit aus sind, sondern auch für jene, die eher Wert auf lange Beratung legen und zurückhaltender Wirken. Dies allein sagt noch nichts über die Wertschätzung gegenüber dem Kunden aus. Und darum geht es hier: den Interessenten so zu behandeln, dass ihm freie Wahl bleibt, dass er respektvoll behandelt und nicht belogen wird.

Ethisches Verkaufen bedeutet allerdings nicht, den Kunden zu verhätscheln oder auf der Wolke „wir haben uns alle lieb“ zu schweben. Wertschätzung bedeutet Klarheit, Ehrlichkeit und Echtheit. Ein wunderbarer Maßstab, der sich hier ansetzen lässt, ist die Frage, wie man selbst von einem Verkäufer behandelt werden möchte.

 

Das waren jetzt viele Fragen, und ich wünschte, ich könnte ein paar klare Antworten oder Richtlinien geben, aber das ist in diesem Fall gar nicht möglich. Jeder muss für sich entscheiden, wie weit er mit dem Hinterfragen seines Handelns geht und welche Konsequenzen er daraus zieht.

Was aber in jedem Fall hilfreich ist, ist eine Erweiterung des Erfolgsbegriffs, die über die rein materiellen Aspekte hinausgeht. Nur wer anstrebt, Zufriedenheit durch sein Tun zu erlangen, wird Veränderungen in Kauf nehmen, die vielleicht auch materielle Einbußen bedeuten. Dass Menschen dazu bereit sind, zeigt sich in der immer größer werdenden Zahl der Kleinunternehmer, die lieber etwas Eigenes unter Schwierigkeiten aufbauen als weiterhin auf die vermeintliche Sicherheit in einem Unternehmen zu setzen, das nicht ihren Werten entspricht. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, und dass Firmen sich in Zukunft einige Gedanken werden machen müssen, wenn sie gute Leute halten wollen.

Dabei spielt der Wunsch nach einem guten gesunden Umfeld ebenso eine Rolle, wie die Erkenntnis, dass es uns nicht gut tut, auf Dauer gegen unser inneres Gefühl zu handeln. Jede Gesellschaft hat auch einen Wertekodex, der vielen als Maßstab dient. Da immer mehr Menschen erkennen, dass sie Geld nicht mit ins Grab nehmen können (ich übertreibe bewusst), kann es gut sein, dass hohe Provisionen für unseriöse Produkte bald keinen Verkäufer mehr locken. Ich fände das schön. Es könnte aber noch ein Weilchen dauern.

 

Widmen wir uns aber noch einer anderen Gruppe von Verkäufern – jenen, die mäßig erfolgreich sind, aufgrund dessen, dass sie unaufdringlich, lieb und nett zu ihren Kunden sein möchten. Mit dem Schreckensbild des penetranten Verkäufers vor Augen, arbeiten diese nach dem Motto: bloß nicht so sein wie ein typischer Verkäufer (=negativ besetzt) und in jedem Fall ehrlich bleiben. So ehrenhaft dies ist, hier gehen die Werte zu Lasten des unternehmerischen Erfolgs, oft in einem Ausmaß, der existenzbedrohend ist. Davon betroffen sind zumeist Einzelunternehmer, die das Verkaufen nicht delegieren können, es aber auch nicht gelernt haben. Diese Gruppe würde am liebsten von Empfehlungen leben, und ganz ehrlich, wer würde dies nicht gerne, das würde es einem ersparen, sich ständig mit der Gewinnung von Neukunden abzumühen. Aber die Märkte sind voller Angebote und um empfohlen zu werden, braucht man schon einen sehr beachtlichen Kundenstamm oder ein sehr starkes Empfehlungsnetzwerk. Bis dies aufgebaut ist, heißt es: Selbst ist der Mann/die Frau.

An Motivation und Begeisterung für das eigene Vorhaben mangelt es meist nicht. Damit lassen sich auch einige Glückstreffer im Verkaufsprozess erzielen, keine Frage. Um jedoch langfristig erfolgreich zu sein, braucht es eine vernünftige Strategie und viel Fleiß.

In Punkto Strategie sieht es bei vielen so aus, dass sie ein paar Flyer verteilen, eine schicke Webseite haben sich ein wenig auf Xing oder anderen Social Media-Plattformen tummeln, mit meist mäßigem Erfolg, was nicht weiter verwunderlich ist. Es reicht nicht, einfach nur präsent zu sein, man sollte sich vorab die Frage stellen, womit möchte ich bei wem präsent sein? bzw. ist es wichtig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was an dem eigenen Angebot einzigartig ist, und wer es gut brauchen kann. Aussagen wie: „Mein Angebot kann jeder brauchen und ich spreche grundsätzlich alle an“ zeigen nur, dass man sich keine tiefen Gedanken zur eigenen Zielgruppe gemacht hat. Abgesehen davon, dass niemand alle bedienen kann, ist es auch sehr schwer, eine Kommunikation zu finden, mit der sich alle angesprochen fühlen. Zielführender ist dagegen, sich zu überlegen, wessen Problem man lösen kann, und für wen das Angebot genau das Richtige ist. Womit wir wiederum bei dem ethischen Verkauf sind, und der Frage, was für den Kunden das optimale Angebot ist. Auch ich als Verkäufer sollte daher ruhig hinterfragen, mit welchen Kunden ich mich am wohlsten fühle, dies ist umso wichtiger je länger ich mit ihm in Kontakt stehe, und bei Dienstleistungen noch einmal wichtiger als im reinen Produktverkauf.

Eine gute Verkaufsstrategie umfasst diese Klärung der Zielgruppe(n) ebenso, wie eine klare Positionierung, die Erarbeitung der eigenen Kernkompetenzen sowie die Frage, welche Kommunikationswege und –stile gewählt werden, um die Zielgruppe anzusprechen. Was hier so kurz und knapp gelistet ist, ist richtig viel Arbeit und kann einige Tage, ja sogar Wochen dauern. Es muss dabei nicht ein in Stein gemeißeltes Konzept herauskommen. Aber es sollten mehr als nur ein paar Stichwörter sein, um eine gute Basis zu haben, die einem bei allen Marketing- und Vertriebsmaßnahmen als Grundlage dienen kann.

Und dann heißt es ran an den Neukunden.

O Schreck, das geht nicht? Sie möchten nicht aufdringlich sein? Verkaufen hat so was Negatives? Lieber warten, bis man Sie findet? Wenn Sie diese Fragen bejahen, bzw. das Gefühl jemanden anrufen zu müssen, den Sie von sich und ihrem Angebot überzeugen möchten, sind Sie in guter Gesellschaft. Das Problem ist nur, dass Sie sicher nicht von Spenden leben möchten, und dass Ihr Kunde Sie nur dann finden kann, wenn Sie ihn aktiv suchen und sich sichtbar machen. Verkaufen an sich ist etwas völlig Neutrales, und nur weil es penetrante Callcenters gibt oder aufdringliche Anbieter heißt das noch lange nicht, dass Sie diese Methoden anwenden müssen. Es geht auch ohne aufgesetzte Sprüche und starre Fragetechniken mit manipulativem Charakter.

Behandeln Sie Ihren zukünftigen Kunden respektvoll und sprechen Sie ihn so an, wie Sie selbst angesprochen werden möchten. Machen Sie sich zugleich bewusst, dass es Ihnen als Anbieter zusteht, ihn auf etwas hinzuweisen, was er gut brauchen kann – daher ist es so wichtig, dass Sie sich ihrer Einzigartigkeit bewusst werden. Viele nützliche Dinge hätten bestimmt keine Verbreitung gefunden, wenn es nicht begeisterte Verkäufer geben würde, die sie anbieten.

Mit so einem Ansatz lassen sich gute Verkaufserfolge und hohe Werte gut vereinbaren. Das Streben nach respektvollen Kundenbeziehungen auf allen Ebenen fördert die Zufriedenheit – die des Kunden ebenso wie die eigene. Echte Zufriedenheit lässt sich nicht in Geld aufwiegen, womit die Frage beantwortet ist, warum sich die Mühe lohnt und weshalb es so wichtig ist, hier umzudenken. Letztlich tun wir uns damit selbst einen großen Gefallen. Wer nur auf materielle Werte baut, wird sich allerdings schwer tun mit diesem Kriterium. Letztlich liegt die Entscheidung darüber bei jedem Einzelnen. Ich möchte an dieser Stelle gerade die Leisen ermutigen, sich mehr zum Kunden zu trauen.

Wer soll denn für eine bessere Verkaufskultur sorgen, wenn nicht jene Unternehmer und Verkäufer mit hohen Werten und hohen Ansprüchen? Dazu ist es wichtig, auf dem Markt Gehör zu finden – respektvoll und doch zielgerichtet,  authentisch und zugleich aktiv. In den heutigen Märkten geht ein Flüstern unter. Da helfen dann auch gute Qualität und hohe Werte nichts mehr.

Es wird Zeit, dass man die Leisen hört. Ich wünsche viel Erfolg beim Gehen neuer Wege – mit Ihren Werten im Gepäck.

 

Geschrieben 2012 für das Magazin des Think moreabout – Kongress, Brixen,  http://www.thinkmoreabout.com/de/

Vertiefende Gedanken hierzu finden Sie in meinem Buch

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